„In einem Loch im Boden da lebte ein Hobbit…“ und böse Zungen könnten behaupten, wenn dieser Hobbit erfahren hätte, was die Filmindustrie mit seiner Geschichte angestellt hat, würde er direkt wieder in sein Loch zurück kriechen und in besagtem Grund und Boden versinken. Das Publikum liebte die Herr der Ringe Filme, begutachtet die Hobbit Trilogie aber mit berechtigter Skepsis und schaut mit kritischen Elbenaugen auf den frisch angelaufenen dritten Teil. Das Problem der Hobbit Filme ist recht simpel: sie haben den vielleicht schlechtmöglichsten Regisseur – nämlich Peter Jackson. Dabei hätten sie um ein Haar den bestmöglichen Regisseur bekommen – nämlich Peter Jackson.
Previously on The Hobbit: Ein Rentner mit Spitzhut und Stab begeht Hausfriedensbruch bei einem Kleinwüchsigen und bringt einen Haufen Obdachloser mit. Anstatt die örtlichen Autoritäten zu alarmieren schließt sich besagter Halbling der Gruppe an, die sich schnell darauf als Diebesbande herausstellt. Gemeinsam gehen sie auf Raubzug. Meanwhile in the forest: Beauty Schlumpf freundet sich mit Elben-Lilly an, weil beide Sterne schön finden. Ein Haufen Figuren, die in einen anderen Film gehören, diskutieren über Ereignisse, die in einen anderen Film gehören. Ein Kiffer mit Hasenschlitten fährt im Kreis und rettet Igeln das Leben. Back to the action: Drache! Viel Dialog, etwas Feuer, CLIFFHANGER!
Jegliche Ironie beiseite: wenn man die ersten beiden Teile vom Hobbit nicht gesehen hat, muss man jetzt nicht damit anfangen. Der Film bietet für Neulinge keinen Einstieg, man wird direkt ins Geschehen geworfen, bekommt die Figuren nicht nochmal erklärt und ständig geschehen Sachen, die für sich genommen keinen Sinn ergeben. Aber wer schaut schon nur den dritten Teil einer Trilogie? Die ersten beiden Hobbit Filme waren keine Meilensteine, aber gingen durchaus in Ordnung. Die Liebesgeschichte zwischen dem schönen Zwerg und der sensiblen Elbin – inklusive finsteren Blicken von Legolas – bringt mich zwar noch immer zum würgen, aber abgesehen davon gab es viele schöne Stellen, gute Action und einen Drachen, der seinem Namen alle Ehre gemacht hat. Smaug war mächtig und gigantisch und füllte den Bildschirm – seine Bewegungen hatten Energie und Gravitation und seine Stimme hallte durch den Berg. Auf so einen Drachen hat man lange gewartet und dass der zweite Teil damit endete, dass jenes Monstrum sich in die Schlacht stürzt, war schon fast Grund genug sich den nächsten Hobbit anzusehen.
Genau hier startet der dritte Teil: mit Feuer und Verderben. Die brenzlige Situation wird in der eröffnenden Actionsequenz gelöst und schnell geht es zum Kern der Sache. In den Nachwehen der Vernichtung kristallisieren sich verschiedene Parteien heraus, die ihr Anrecht auf den erbeuteten Schatz vertreten, der vom Hobbit Bilbo Beutlin und seiner Zwergengruppe beschlagnahmt wird. Diese erste halbe Stunde ist nicht unbedingt herausragend, aber sie setzt viele schöne Akzente: es geht um Heimat und Heimweh, um Gier und Wahnsinn, um Macht und Machtlosigkeit. Dafür, dass der Film mitunter vier Brennpunkte zur gleichen Zeit hat, schafft er es trotzdem jeder Fraktion in dieser Einleitung genug ruhige Momente zuzugestehen und ihre jeweiligen Interessen darzustellen. Und dann beginnt die große Schlacht und all das ist vergessen.
Der Film explodiert plötzlich in ein Feuerwerk aus Kampfsequenzen und findet nur hier und dort nochmal Zeit um kurz durchzuatmen und ein paar Worte zu wechseln – die auch oft nur gesprochen werden, um ihnen dann Taten folgen zu lassen. Ein Knackpunkt bei der Aufsplittung des einen Buches in drei anstatt zwei Filme ist nämlich, dass vom Rest nicht viel mehr übrig war als die Schlacht, die dann entsprechend etwas ausgedehnt werden musste. Unser eigentlicher Protagonist Bilbo ist jedoch kein Kämpfer und sein Hauptanliegen ist es eigentlich, den Krieg zu verhindern – einerseits sind seinen Bemühungen vergebens und andererseits legt der Film danach sein Augenmerk fast nur noch auf diese Schlacht, an der Bilbo fast nicht teilnimmt. Am Anfang und am Ende taucht er natürlich auf und hat seinen Figurenbogen aber in der Mitte verschwindet er fast ganz und das ist eine Schande, da Martin Freeman in seiner Rolle glänzt und seine Figur interessant genug gestaltet ist um sich mehr davon zu wünschen. Dass Bilbo nicht nur daran scheitert Frieden zu stiften, sondern sich der Film auch regelrecht an den daraus resultierenden Kriegsszenen ergötzt und immer wieder zeigt, wie helden- und ehrenhaft Kampf und Tod sind, scheint fast eine Metapher für sich zu sein.
Der Hobbit ist nicht Der Herr der Ringe, das sollte allen Lesern der Bücher klar sein: das eine ist eine epische Geschichte, eine Saga um das Schicksal der Welt, das andere ist ein Märchen, eine Gutenachtgeschichte über eine Gruppe Abenteurer auf Schatzsuche. Beide sind klug, beide haben Subtext, beide sind schön geschrieben, aber sie unterscheiden sich eben in so vielen anderen Belangen.
Bei den Filmen jedoch gibt es diesen Bruch nicht: Der Hobbit 1-3 fühlt sich nicht an wie Der Hobbit 1-3, sondern wie Herr der Ringe 4-6. Die gleiche Musik, die gleichen Schauplätze, Gastauftritte von Figuren, die eigentlich nichts dort zu suchen haben und nicht dahin gehören, aber platziert werden um ein ‚Ah‘ und ‚Oh‘ von den Fans zu bekommen. Wo auch immer ein Millimeter Film übrig ist, wird eine kleine Anspielung oder ein Seitenhieb auf die Original-Trilogie verpackt – und wo nichts übrig ist, da wird eben Raum geschaffen. Immerhin haben wir aus einem Buch drei Filme gemacht! Diese Laufzeit muss ja irgendwohin. Dazu kommt, dass die Dimensionen komplett umgedreht werden: „The Defining Chapter“ liest man auf den Werbeplakaten des dritten Hobbit-Teils. Nonsens! Die Rückkehr des Königs, das war das „Defining Chapter“, dort hat sich alles entschieden. Aber weil man eben den Stil beibehalten hat, konnte man dem Publikum ja nicht sagen „Liebe Leute, wir zeigen euch jetzt noch drei Filme und die sind auch ganz nett, aber das epische Finale habt ihr schon gesehen.“ Nein, man muss aufpusten und explodieren, man muss klar machen, dass es hier um die ganz große Nummer geht, dass die Story des Hobbits kein Vorgeplänkel zum Herrn der Ringe ist, sondern ein ebenbürtiges Opus in allen Belangen. Und das schmerzt.
All diese direkten Vergleiche hätten verhindert werden können, hätte man von Anfang an gesagt: Wir machen jetzt einen anderen Film. Wir wissen, dass es die Herr der Ringe Filme gibt, aber wir müssen sie nicht emulieren um uns an sie zu erinnern. Lasst uns etwas anderes machen, lasst uns eine neue Saga bauen, lasst uns ein Märchen, eine Gutenachtgeschichte schaffen, die liebenswert und detailverliebt ist, die spannend für Kinder und verzaubernd für Erwachsene wirkt. Ein anderer Regisseur hätte hergemusst, mit einer neuen, frischen Vision und keiner Erweiterung seiner alten. Man muss Peter Jackson zugutehalten, dass er sich nicht wirklich um die Regie beim Hobbit gerissen hat. Eigentlich hatte er schon mit Mittelerde abgeschlossen, war mit King Kong und Lovely Bones zwar mittelerfolgreich aber sehr zufrieden und hätte sich gerne noch weiter in alle Richtungen entwickeln können. Der prominenteste Name, der lange im Regiestuhl saß war Guillermo del Toro, der mit Pans Labyrinth eindrucksvoll zeigte, wie man einen erwachsenen Märchenfilm erschafft. Was hätte man gegeben um del Toros Hobbit zu sehen! Ach, was hätte man generell für jemanden mit einer neuen Herangehensweise gegeben! Wes Andersons Hobbit, Richard Linklaters Hobbit, David Finchers Hobbit – nur eben nicht Peter Jackson Herr der Ringbbit. Doch am Ende überwarf sich del Toro mit dem Studio und für Jackson siegte entweder das Geld oder (was wir alle hoffen) doch die Leidenschaft und der Ehrgeiz. Er konnte und musste tun, was kein anderer wollte und so kamen wir zur Hobbit-Trilogie, die nun ihr Ende findet.
Manchmal schauen sich die Hobbit Filme wie Fan-Fiction. Im dritten Teil gibt es eine Szene, in der ein Ensemble aus Herr der Ringe Figuren wie aus dem nichts auftaucht, ihre Schwerter auspackt und gegen Ringgeister kämpft – all eure Helden! Endlich in Aktion! Wie Yoda in den Star Wars Prequels!
Doch genau hier, in dieser kleinen Nische der Fan-Fiction ist wiederum die Ehrlichkeit von Peter Jackson zu finden, der natürlich jetzt ein großer, einflussreicher Regisseur ist, aber in erster Linie ein Herr der Ringe Fan. Der einzige Fan, der das Privileg hat, seine Fantasien in die Realität und auf die Leinwand zu transportieren. Es ist sein Hobbit und nicht meiner. Die schönsten Szenen im Film sind für mich die, in denen die Figuren miteinander agieren ohne zu kämpfen – gegen Ende gibt es eine Szene in der Gandalf und Bilbo einfach nur still beisammen sitzen und Pfeife rauchen und an solchen Stelle sprüht es Magie. Mein Film wäre der kleine Märchenhafte gewesen, bei dem die Schlacht nur ein Nebeneffekt der persönlichen Dilemmata ist, aber diesen Film kriege ich nicht geboten, so wie kein anderer Film- oder Buchfan seine Version bekommen wird, sondern nur die, die uns Peter Jackson anbietet.
Wenn man sich darauf einlässt und annimmt, dass es eben nur ein großer Fantasy-Actionfilm ist, der seine Story ausdünnt um ausschweifende Kampfszenen aneinander zu reihen, die wirklich oft gut getaktet und sauber choreographiert sind, dann kommt man durchaus auf seine Kosten. Selbst ich konnte mich irgendwann, als ich meinen eigenen imaginären Hobbit ruhig gestellt hatte im stimmigen Gewusel des Filmes angenehm verlieren und habe das Kinoerlebnis, trotz aller Kritikpunkte, genossen. Für alle, die damit nichts anfangen können, bleibt nur übrig das Buch zu lesen oder einen netten Brief an Familie Tolkien zu schreiben in der Hoffnung, dass man vielleicht eines Tages selbst den nächsten Film im Herr der Ringe Universum drehen kann. Denn eine neue Vision ist sicherlich nicht das schlechteste, was Mittelerde passieren kann.