{"id":867,"date":"2020-04-20T12:03:00","date_gmt":"2020-04-20T12:03:00","guid":{"rendered":"http:\/\/doktorpeng.lifeisadobbitsch.de\/?p=854"},"modified":"2020-05-12T20:28:17","modified_gmt":"2020-05-12T20:28:17","slug":"der-marsianer-rettet-ridley-scott","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/der-marsianer-rettet-ridley-scott\/","title":{"rendered":"Der Marsianer: Rettet Ridley Scott!"},"content":{"rendered":"\n
Eine Aura der Belanglosigkeit umgibt <\/strong>Der Marsianer<\/em><\/strong>: Glotzt man auf das Filmplakat, hat es au\u00dfer einem leicht gelangweilten, aber dennoch formatf\u00fcllenden Matt-Damon-Gesicht nichts zu bieten. Daneben prangt blass der nichtssagende Satz \u201eRettet Mark Watney\u201c, der sich nicht entscheiden kann ob er Werbeslogan oder Untertitel sein will. In Wirklichkeit muss hier allerdings nicht Mark Watney gerettet werden, sondern der Mars als Filmplanet und die Karriere vom einst so gro\u00dfen Regisseur Ridley Scott.<\/strong><\/p>\n\n\n\n Es gibt zweierlei grundliegende Arten fremde Planeten in seine Filme einzubinden: Entweder muss er so weit weg sein, dass unserer Fantasie keine Grenzen gesetzt sind oder er muss zum Greifen nah sein und die Hoffnung wecken, ihn eines Tages erreichen zu k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n Fr\u00fcher, bei den ersten Filmen, war der Mond all das. Heute ist er nichts mehr davon. Nach und nach entzauberte die moderne Technik unseren Erdtrabanten und sp\u00e4testens seit der Mondlandung ist er ein wenig profan geworden. Seine Stelle nahm etwas sp\u00e4ter der Mars ein, der noch immer nah, aber eben unerreicht war und auch hier tummelten sich zun\u00e4chst Monster und finstere Invasoren. Krieg der Welten<\/em> und viele andere Science-Fiction Filme der 50er und 60er Jahre lassen die Au\u00dferirdischen vom roten Planeten kommen, der gerade dicht genug an der Erde dran ist um vielleicht eine Bedrohung darstellen zu k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n Immer wieder gesellten sich dann zur Faszination des Unbekannten die Faszination der Wissenschaft und der Mars wurde noch h\u00e4ufiger f\u00fcr die Destination von Weltraumreisen herbeigezogen. Einen Peak gab es im Jahre 2000 als kurz hintereinander Mission to Mars<\/em> und Red Planet<\/em> die Leinwand trafen. Und beide waren grauenhaft. Sie killten die Leidenschaft f\u00fcr den Mars fast, w\u00e4re da nicht ein Jahr sp\u00e4ter John Carpenters Ghosts of Mars<\/em> gewesen: ein Megaflop, f\u00fcr viele Jahre der Marsliebe den Todessto\u00df gab. Zumindest bis 2012 John Carter (of Mars)<\/em> vorbei kam\u2026 und schaffte all das nochmals zu unterbieten.<\/p>\n\n\n\n \u00dcberhaupt gibt es so viele schlechte oder mittelm\u00e4\u00dfige Mars-Filme, dass es viel einfacher ist die guten<\/em> aufzuz\u00e4hlen: Die beiden gro\u00dfen Krieg der Welten<\/em> Adaptionen kann man sich durchaus anschauen, Mars Attacks<\/em> ist zwar kein Meilenstein, aber doch recht unterhaltsam. Leider kann man diese Filme nur halb z\u00e4hlen, denn obwohl sie Marsianer zeigen, zeigt keiner von ihnen den Mars. Wenn man beide Augen und ein Ohr zudr\u00fcckt kann man Watchmen <\/em>als Marsfilm z\u00e4hlen und nat\u00fcrlich gibt es Total Recall<\/em> (das Original) der wirklich verdammt gut ist. Wenn aber der einzige ohne Wenn und Aber vorzeigbare Film ein 25 Jahre alter Schwarzenegger-Streifen ist, dann hat der Mars wirklich ein Image-Problem.<\/p>\n\n\n\n Nun kommt also Ridley Scott, der sich an diesem scheinbar mehr als ungastlichen Planeten abm\u00fcht und irgendwie wird man aus ihm nicht so ganz schlau. Gro\u00dfe Produktionen hat er immer gemacht und ein gestandener Name in Hollywood ist er ohnehin, aber wenn man mal schaut wie viele seiner Filme einfach nur unteres Mittelma\u00df sind, kann es einem kalt den R\u00fccken runter laufen: Ein gutes Jahr, Robin Hood, Die Akte Jane, Hannibal<\/em> und die in den letzten Jahre frisch dazugekommenen Multimillionen-Dollar-Flops Exodus<\/em> und The Counselor<\/em>.<\/p>\n\n\n\n Das ist nur eine kleine Auswahl aus einem riesigen Berg an Blockbuster-Fehltritten, in dem jeder sicherlich seinen ganz pers\u00f6nlichen Tiefpunkt findet. Aber hier und dort blitzt pl\u00f6tzlich Genialit\u00e4t auf. Lassen wir mal Gladiator<\/em> und Thelma and Louise<\/em> au\u00dfen vor, ist es Scotts gr\u00f6\u00dfter Verdienst das Science-Fiction Genre so wegweisend gepr\u00e4gt zu haben, dass sein Echo noch heute lautstark durch die Filmlandschaft hallt. Und das gelang ihm sogar zwei Mal innerhalb von nur drei Jahren!<\/p>\n\n\n\n W\u00fcrde man nur diese Phase aus Ridley Scotts Schaffen kennen, man m\u00fcsste ihn f\u00fcr ein Genie halten. Auf der einen Seite die finsteren Welten von Alien<\/em>. Der Film, der Science-Fiction-Horror salonf\u00e4hig gemacht hat und bis heute nicht nur eines der besten Filmmonster besitzt sondern auch eine starke Frauenrolle in den stillen Weiten etabliert hat. Auf der anderen Seite Blade Runner,<\/em> der wie fast kein anderer Film die stilistischen Elemente eines Film Noir pl\u00f6tzlich in die Zukunft verortet und mit seiner dichten Atmosph\u00e4re und philosophischer Grundhaltung schnell einer der cleversten Filme seiner Dekade wurde.<\/p>\n\n\n\n Scott kultivierte ein eigenes Erz\u00e4hltempo, das gegen viele Sehgewohnheiten ging, sich ab und an fast tr\u00e4ge anf\u00fchlte aber letztendlich die Stimmung seiner Filme zeichnete. Er lies sich in den richtigen Momenten Zeit, gestatte den Filmen, den Figuren und ihrer Welt damit zu atmen um ihnen dann im richtigen Moment mit chirurgischer Pr\u00e4zision die Luft abzuschn\u00fcren.<\/p>\n\n\n\n Das h\u00f6rt sich doch alles geradezu perfekt an: Ein Mann, der es schafft neue Welten zu erdenken, nimmt sich dem filmischen Sorgenkind des Sonnensystems an und kann endlich einen Film schaffen, der dem unfassbaren aber zum Greifen nahen Mars gerecht wird. Da gibt es nur ein Problem: Der letzte Science-Fiction Film von Ridley Scott war weder Blade Runner<\/em> noch Alien<\/em> sondern Prometheus<\/em>. Kein vision\u00e4rer Genre-Vertreter sondern eher ein effekt\u00fcberladener Horror aus dem Klischeebaukasten. Kann Scott mit Der Marsianer<\/em> wieder zur alten Form zur\u00fcckfinden oder sind all seine wegweisenden Visionen schon l\u00e4ngst begraben unter Metern von tr\u00e4gem, rotem Sand?<\/p>\n\n\n\n Der Marsianer<\/em> handelt von Mark Watney (Matt Damon), der auf einer Forschungsmission zum Mars in einem Sturm verschwindet und zur\u00fcckgelassen wird. Als Mark aufwacht sind seine Kollegen, die ihn f\u00fcr tot halten, schon zur\u00fcck auf dem jahrelangen Weg zur Erde und Mark muss versuchen zu \u00fcberleben und im Bestfall nach Hause zu kommen. Die komplette Etablierung geschieht rasend schnell und ehe wir das Gef\u00fchl f\u00fcr eine der Figuren bekommen gibt Mark in einer Art und Weise in der sich andere Leute entschlie\u00dfen, heute mal das Schokom\u00fcsli und nicht das normale zu kaufen bekannt: \u201eIch werde hier nicht sterben.\u201c<\/p>\n\n\n\n Was folgt ist eine Matt Damon Show: Er bastelt, er t\u00fcftelt, er baut Gem\u00fcse an, er besorgt sich Strom und Wasser, versucht zu kommunizieren und f\u00fchrt dabei (damit es kein Stummfilm wird) ein V-Log Tagebuch. Da d\u00e4mmert es einem pl\u00f6tzlich: Man ist gar nicht in einem Science-Fiction Film \u00e0 la 2001: A Space Odyssey<\/em> oder Interstellar<\/em> sondern in einer Robinson Crusoe Geschichte. Ein Mann, auf sich allein gestellt, gestrandet in einer fremden Umgebung, versucht mit dem Wenigen, was von seinem \u201eSchiffbruch\u201c \u00fcbrig ist, seine Tage zu bestreiten und nach Hause zu kommen. Und so schaut sich der Film wie eine Mischung aus Cast Away<\/em> und Apollo 13<\/em> mit allen Story-Elementen, die man so erwartet.<\/p>\n\n\n\n \u00dcberhaupt ist der komplette Film unglaublich hollywoodesque, was sein Drehbuch und seine Inszenierung angeht: Wissenschaftler erkl\u00e4ren die komplexe Vorg\u00e4nge mit einfachen Metaphern, Nerds kommen durch eine beil\u00e4ufige Bemerkung auf grandiose Einf\u00e4lle. Es gibt die gro\u00dfen Bilder, die jubelnden Menschen, die Schaltzentralen der NASA und alles, was sonst noch ins Hochglanzpaket geh\u00f6rt. Sogar ein paar schmissige Montagen zu Songs von David Bowie und Abba sind dabei.<\/p>\n\n\n\n Die Entscheidung diese Geschichte genau so zu erz\u00e4hlen, ist bewusst getroffen und sie ist Fluch und Segen zugleich. Schon bald merkt man, dass dem Film eine unbek\u00fcmmerte Natur inne ist und jede Sorge um die Figuren f\u00e4llt damit vom Zuschauer ab. Alles ist weiterhin spannend, aber ohne aufregend zu sein, denn egal was passiert: Wir schaffen das schon! Die gro\u00dfen kontroversen Themen, die aufgegriffen werden k\u00f6nnten \u00fcber den Wert eines Menschenlebens, \u00fcber Verantwortung der Wissenschaft, \u00fcber Wahnsinn, Einsamkeit und Tod, werden gekonnt umschifft, um die Stimmung und die Action nicht zu tr\u00fcben. Der Film verlangt dem Zuschauer nicht das Geringste ab und (wie es Watney selbst ausdr\u00fcckt) geht einfach von einem Problem zum n\u00e4chsten, bis die L\u00f6sung f\u00fcr alles gefunden ist. Wir k\u00f6nnen diese L\u00f6sungen aber nie antizipieren, wir haben keinen Eindruck davon was m\u00f6glich ist und was nicht, sondern werden einfach mit auf diese Fahrt genommen ohne gro\u00df mitzudenken zu m\u00fcssen.<\/p>\n\n\n\n Auf der anderen Seite geht die Rechnung auf, denn Ridley Scott ist eben auch ein solider Handwerker, wenn er das richtige Budget hat. Wer in Stimmung f\u00fcr einen Blockbuster ist, der h\u00e4lt was er verspricht, wird aus all den eben genannten Gr\u00fcnden seine helle Freude am Der Marsianer<\/em> haben. Denn trotz seiner knapp zweieinhalbst\u00fcndigen Laufzeit hat er fast keine L\u00e4ngen. Der Grund? Matt Damon!<\/p>\n\n\n\n Zwar ordnet sich sogar seine Figur der glatten Filmoberfl\u00e4che unter, hat wenig Konflikte und wenig Entwicklung, aber Matt erinnert uns daran, dass er ein wirklich guter Schauspieler sein kann und verk\u00f6rpert seinen Mark Watney mit einer unfassbaren Sympathie. Schon nach wenigen Minuten sind wir auf seiner Seite und f\u00fchlen ein fast freundschaftliches Verh\u00e4ltnis zu ihm. Das ist die gr\u00f6\u00dfte St\u00e4rke des Films: Wir wollen unbedingt, dass dieser nette, menschliche Kerl mit seinem losen Mundwerk und seinem zynischen Humor heil aus der Sache herauskommt. Ein aktiver Protagonist, der Spa\u00df macht und auch in seiner tristen Lage noch Leidenschaft f\u00fcr das empfindet, was er tut und das mit dem Publikum teilt. Ein simples Konzept, aber eines, das tr\u00e4gt.<\/p>\n\n\n\n Der Marsianer<\/em> kann sich dank der schwachen Konkurrenz auf die Fahne schrieben der wohl bis dato beste Mars-Film zu sein, trotz (oder vielleicht gerade wegen) der Tatsache, dass er keinerlei Risiken eingeht und nur sch\u00f6nes Hollywoodkino ohne nennenswerten Tiefgang liefert. Doch ausgerechnet von Ridley Scott, der seine Glanzmomente im Gegenteiligen hatte, n\u00e4mlich im schweren, langsamen, nachdenklichen Kino, hatte man sich insgeheim mehr gew\u00fcnscht.<\/strong> Etwas, das einen zum Staunen bringt und die Gedanken im Kopf kreisen l\u00e4sst, wie damals, in den knapp drei Jahren, als er das Genre f\u00fcr immer ver\u00e4nderte.<\/p>\n\n\n\n Ob Watney befreit werden kann, wird an dieser Stelle nicht verraten. Der Mars als Filmplanet ist jedenfalls vorerst gerettet und rehabilitiert. Ridley Scott aber scheint die Flamme seiner alten Genialit\u00e4t nicht wieder entfachen zu k\u00f6nnen, sondern liefert einen schn\u00f6rkellosen Unterhaltungsfilm, den auch viele andere h\u00e4tten drehen k\u00f6nnen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Ridley Scott schie\u00dft Matt Damon auf den Mars – da geh\u00f6rt er vielleicht auch hin.<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[9],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/867"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=867"}],"version-history":[{"count":3,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/867\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":1045,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/867\/revisions\/1045"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=867"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=867"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=867"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}