{"id":878,"date":"2020-04-09T12:07:00","date_gmt":"2020-04-09T12:07:00","guid":{"rendered":"http:\/\/doktorpeng.lifeisadobbitsch.de\/?p=874"},"modified":"2020-05-12T20:35:05","modified_gmt":"2020-05-12T20:35:05","slug":"avengers-age-of-ultron-wo-liegt-die-zukunft-der-superhelden-filme","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/avengers-age-of-ultron-wo-liegt-die-zukunft-der-superhelden-filme\/","title":{"rendered":"Avengers: Age of Ultron \u2013 Wo liegt die Zukunft der Superhelden- Filme?"},"content":{"rendered":"\n

Lange vor der gro\u00dfen Superhelden-Welle versuchte sich Bryan Singer an einem Superman-Reboot und scheiterte mit Superman Returns <\/em>grandios. Im Film verl\u00e4sst Superman f\u00fcr einige Jahre die Erde und in seiner Abwesenheit schreibt Lois Lane \u2013 verbittert und im Stich gelassen \u2013 einen Artikel mit dem Thema \u201eWhy the world does not need Superman\u201c. Nat\u00fcrlich kommt Superman eines Tages wieder, rettet die Welt, alte Liebe entflammt erneut und Miss Lane verfasst den Artikel \u201eWhy the world does <\/em>need Superman.\u201c Aber stimmt das wirklich? Brauchen wir Superman oder irgendeinen anderen Helden? Brauchen wir Superheldenfilme? Und brauchen wir wirklich gerade jetzt den zweiten Avengers-Film?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Um die Frage nach dem Heldenmythos direkt zu beantworten: Ja, nat\u00fcrlich brauchen wir Helden. Wir haben sie immer gebraucht und werden es auch immer tun. Denn egal wie man diesen Terminus definiert, der Mensch braucht jemanden, zu dem er aufschauen kann, um selbst etwas besser zu werden. Eine starke Figur, die seine Schw\u00e4chen tr\u00e4gt. Schon Aristoteles schreibt in seiner Dramentheorie, dass in Trag\u00f6dien die besseren <\/em>Menschen die Hauptrollen spielen m\u00fcssen, damit ihr Handeln und auch ihr Scheitern mehr Gewicht erh\u00e4lt. Egal ob <\/strong>Herkules, K\u00f6nig \u00d6dipus, shakespearsche Adelige oder gar Jesus selbst: Sie alle <\/strong>sind Figuren, die h\u00f6her, gr\u00f6\u00dfer und m\u00e4chtiger sind als ihre Zuschauer. Und heutzutage <\/strong>sind diese Figuren eben \u201esuper\u201c.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Wir als Kinozuschauer stecken gerade mitten in einem Genrebildungsprozess erster G\u00fcte. Nach Hickethiers Phasenmodell entsteht ein Genre dadurch, dass ein Werk immense Erfolge feiert (Entstehungsphase). Dann wird diese Erfolgsformel kopiert und der Markt geflutet (Stabilisierungsphase) bis die Zuschauer keine Lust mehr nach dieser Art von Film versp\u00fcren (Ersch\u00f6pfungsphase). Nach langer Pause setzt dann eine Art Renaissance ein, in der das Genre in neue Richtungen gelenkt wird (Neubildungsphase).<\/p>\n\n\n\n

Das ist soweit sch\u00f6n und gut, aber das Problem mit Superheldenfilmen ist, dass es die Neubildungsphase schon l\u00e4ngst gab: Wir sind mit Filmen wie Kick Ass<\/em>, Scott Pilgrim <\/em>und Super <\/em>bereits in den Comics meta gewesen. Wir hatten unsere Dark Knight<\/em>s und Sin City<\/em>s um die inhaltlichen und visuellen Grenzen auszuloten. Das Genre hat also keinen Fluchtweg, keine Alternativroute mehr, wenn es erstmal ersch\u00f6pft ist. Die Frage ist also ob die Avengers, die <\/strong>damals vielleicht der entscheidende Grundsteine zur Genrefestigung waren, nun nicht <\/strong>nur die Welt, sondern sogar die <\/strong>Film<\/em>welt retten k\u00f6nnen.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Avengers 2: Age of Ultron <\/em>geht in eine \u00e4hnliche politische Richtung wie schon Captain America 2: <\/em>The Winter Solider <\/em>und stellt ein paar unangenehme Fragen \u00fcber das Wesen von Regierungen und Heldentruppen. Gleich am Anfang finden die Avengers in einem Nazilabor zwei Kinder, die sich freiwillig dazu gemeldet haben, dass man an ihnen gef\u00e4hrliche Experimente durchf\u00fchrt, um sie zu Supermenschen zu machen. Genau das gleiche Prozedere also, welches mit Captain America durchgef\u00fchrt wurde, nur eben in b\u00f6se, weil Nazis. Als die US-Machthaber dann anmerken, dass es heutzutage etwas v\u00f6llig anderes sei, weil sie ja nicht mehr im Krieg sind, entgegnet der Cap pers\u00f6nlich: \u201eWell, they are.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Das ist ein cleverer Ansatz: Die Welt ist immer irgendwo, irgendwie im Krieg, es gibt <\/strong>st\u00e4ndig Konflikte und auf jeder Seite haben die Menschen ihre Gr\u00fcnde sich zu opfern, <\/strong>Wagnisse einzugehen und f\u00fcr das zu k\u00e4mpfen, woran sie glauben, selbst wenn wir diesen <\/strong>Glauben nicht teilen.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Als Antwort auf die st\u00e4ndige Bedrohung von au\u00dfen entwickelt Tony Stark die k\u00fcnstliche Intelligenz Ultron. Dieser h\u00e4tte fast das Zeug dazu, ein Filmb\u00f6sewicht f\u00fcr die Ewigkeit zu werden, weil er nicht nur jene kritischen Fragen stellt, sondern sie geradezu verk\u00f6rpert. In einer fabelhaften Geburtszene lernt er alles \u00fcber die Welt aus dem Datenpool des Internets und ist rein faktisch davon \u00fcberzeugt, dass die Avengers die B\u00f6sewichte dieser Geschichte sind: Sie bringen Menschen um, sie legen St\u00e4dte in Schutt und Asche, erschaffen ihre eigenen Feinde und l\u00f6sen nur die Konflikte, die sie selbst ohnehin verursachen.<\/p>\n\n\n\n

Sp\u00e4testens als eine der neuen Figuren zu bedenken gibt: \u201cW\u00e4re ich ein Monster, dann w\u00fcsste ich es nicht.\u201d, sollte man anfangen die Selbstwahrnehmung der Protagonisten zu hinterfragen. Vielleicht waren wir als Zuschauer ohne es zu wissen die ganze Zeit unbewusst auf der Seiten der Schurken und nicht der Helden?<\/p>\n\n\n\n

Das Problem an Ultrons Weltansicht ist, dass Moral nicht berechnet werden kann und mehr ist als die Summe von Daten. Auch daran arbeitet sich der Film oft ab: Darf man es riskieren tausende Menschen zu opfern um eine Million zu retten? Wo sind die Grenzen der eigenen Verantwortung? Wenn die Avengers wirklich eine bessere Welt schaffen wollen, warum nutzen sie dann ihre Superkr\u00e4fte nicht um hoch effizient Getreide anzubauen und den Welthunger zu stillen oder arbeiten in sozialen Einrichtungen? Zugegeben, Thor 3: Tagesdienst in der <\/em>Suppenk\u00fcche <\/em>w\u00e4re ein recht langweiliger Blockbuster, trotzdem ist die Frage valide. Wenn die Avengers darauf keine Antwort wissen, ist ihr Gutmenschentum am Ende vielleicht nur ein Lippenbekenntnis.<\/p>\n\n\n\n

Ultron klopft seine Moralvorstellungen innerhalb eines Tages fest und weicht nicht mehr <\/strong>von ihnen ab. Dies sollte eigentlich ein dunkles Spiegelbild f\u00fcr die Avengers sein, die all <\/strong>ihre Handlungen selbstverst\u00e4ndlich als richtig und gerechtfertig begreifen, ohne sie <\/strong>jemals zu hinterfragen, aber in diesen Spiegel blicken wir bedauerlicher Weise nie.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Die Fragen sind nicht neu aber dennoch interessant, komplex und notwendig f\u00fcr das Genre. Der Film selbst dr\u00fcckt sich leider davor, sie konsequent zu Ende zu denken und entscheidet sich daf\u00fcr, pure Unterhaltung mit sch\u00f6ner Action zu sein. Ab einer gewissen Stelle \u00fcbert\u00fcnchen seine Explosionen all das sch\u00f6ne moralische Grau, das er verspr\u00fcht hat, um es wieder in Schwarz und Wei\u00df zu verwandeln. Ultron ist doch irgendwie wahnsinnig und will einfach viele Menschen umbringen. Die Avengers haben doch recht, sind keine Schurken sondern Helden. Die Guten sind gut, die B\u00f6sen sind b\u00f6se und die h\u00fcbschen B\u00f6sen werden gut, weil gut besser ist.<\/p>\n\n\n\n

Dabei ist auff\u00e4llig, wieviel Doppelmoral hier und da ausgeschenkt wird. Im Kern ist <\/strong>Avengers: <\/em>Age of Ultron <\/em>eine Frankensteingeschichte: Ein Wissenschaftler \u00fcberschreitet eine Grenze <\/strong>und erschafft mit guten Vors\u00e4tzen ein Monster, das au\u00dfer Kontrolle ger\u00e4t. Nur wird <\/strong>dieser Fehler im Laufe des Films sogar wiederholt und belohnt \u2013 zwei Mal Unrecht ergibt <\/strong>Recht.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

An einem Punkt k\u00f6nnen die Avengers viele Menschen retten, wenn sie wenige opfern w\u00fcrden. Um zu beweisen, dass Ultron sich in ihnen irrt, m\u00f6chten sie aber alle <\/em>retten. Das ist nett gedacht, aber wieder nur sehr lokal, da vor und nach diesem Event \u00fcberall auf der Welt weiterhin Menschen sterben. Das scheint egal, weil es sich nur um normale Tode und keine Supertode handelt. Wieder kommt Nolans Joker in Erinnerung: \u201eI tell the press that, like, a gang banger will get shot or a truckload of soldiers will be blown up, nobody panics, because it\u2019s all `part of the plan\u00b4.\u201d<\/p>\n\n\n\n

Die Welt der Superhelden konstituiert sich an Erwartungshaltungen. Thor kann nicht in Suppenk\u00fcchen jobben und Superman kann nicht in den Urlaub fliegen, weil die Welt von ihnen erwartet, dass sie ihre Kr\u00e4fte st\u00e4ndig in dem Ma\u00dfe einsetzen, welches wir <\/em>f\u00fcr richtig erachten. Diese Anspr\u00fcche sind ein exaktes Echo der Erwartungen, die wir als Zuschauer haben: Die <\/strong>Superhelden k\u00f6nnen und sollen sich eben nur um Superprobleme k\u00fcmmern. Welche <\/strong>Gesetze sie dabei brechen, welche Rechte sie daf\u00fcr in Anspruch nehmen und wessen <\/strong>Leben sie riskieren, ist irrelevant, weil sie besser sind als wir. Manchmal k\u00f6nnen sie <\/strong>zweifeln und wanken, aber am Ende bleibt ihr Heldentum unantastbar.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Ein Grund warum Ultron die Avengers nicht nur t\u00f6ten, sondern vernichten will ist, dass sie die Welt daran hindern sich weiterzuentwickeln \u2013 sie wollen keinen \u201eFrieden\u201c, sondern nur \u201eRuhe\u201c, sind nicht bereit \u00fcber den Status Quo hinauszugehen und halten dies f\u00fcr die beste aller m\u00f6glichen Welten. Eine ideale Metapher f\u00fcr den Film! <\/strong>Keine Risiken eingehen, die Franchise sch\u00fctzen, die Figuren erhalten, die kontroversen Fragen stellen, aber einfache Antworten geben und schnell wieder den Blockbustergang einlegen, ehe jemand nachhakt.<\/p>\n\n\n\n

Die Massenproduktion von Superheldenfilmen hat das Filmgesch\u00e4ft in vielen Bereichen <\/strong>serialisiert und <\/strong>Avengers 2 <\/em>ist ein Paradebeispiel f\u00fcr die damit einhergehenden <\/strong>Symptome: Er bietet perfektionierte Unterhaltung, in der \u00fcberhaupt nichts auf dem <\/strong>Spiel steht. <\/strong>Die Welt muss gerettet werden, die Figuren m\u00fcssen \u00fcberleben und die \u00c4nderungen m\u00fcssen graduell sein, weil ansonsten das n\u00e4chste Installment leidet. Ultron wirft den Avengers vor, Marionetten zu sein, die sich einfach instrumentalisieren lassen und auf einer Metaebene scheint er recht zu behalten, denn die Marvelstudios ziehen gekonnt an den F\u00e4den und lassen die Puppen tanzen.<\/p>\n\n\n\n

Noch ist das Genre frisch und unterhaltsam und Avengers 2 <\/em>bildet keine Ausnahme, sondern sogar eine Perfektion der Formel. Aber solange es nur eine Formel bleibt, wird sie sich irgendwann ersch\u00f6pfen. Auswege bietet ein System \u00e0 la Christopher Nolan, der von Anfang an eben nur genau drei Filme produzieren wollte, in denen dann auch Figuren sterben k\u00f6nnen, weil es nicht weiter geht oder der am Horizont schimmernde Suicide <\/em>Squad<\/em>, der aus der Sicht von Superschurken erz\u00e4hlt wird.<\/p>\n\n\n\n

Avengers: Age of Ultron<\/strong> <\/em>ist Popcornkino in Reinkultur und ein fantastisches Event, doch er <\/strong>ist ein wenig zu klug f\u00fcr sich selbst und legt den Finger in Wunden, die er nicht verarzten <\/strong>kann oder will. <\/strong>W\u00e4re man ein Zyniker, k\u00f6nnte man dem Film die gleiche Frage stellen, wie einem Superhelden, der sich weigert die Welt zu retten: Du hast all diese Kr\u00e4fte und das Potential! Warum nutzt du es nicht? Was bleibt der bitters\u00fc\u00dfe Beigeschmack von Popcorn, und der Nachklang von Ultrons wahrem Wahnsinn, dass wir als Zuschauer durch die blo\u00dfe Existenz der Avengers in dieser alten Filmwelt gefangen bleiben, im Status Quo, den wir als perfekt ansehen, weil wir nicht bereit sind Opfer zu bringen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Was der zweite Avengers-Film besser macht als der erste und was nicht.<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_seopress_robots_primary_cat":"","_seopress_titles_title":"","_seopress_titles_desc":"","_seopress_robots_index":"","footnotes":""},"categories":[9],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/878"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=878"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/878\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":1059,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/878\/revisions\/1059"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=878"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=878"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.lifeisadobbitsch.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=878"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}